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Freitag,
25. Juli 1997
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Christa Randzio-Plath (Herausgeber)

Der Euro ­ mehr als ein Symbol

Baden-Baden (Nomos-Verlagsgesellschaft), 1996, 194 Seiten, 49 DM, ISBN 3-7890-4561-6.

Der von der Europaabgeordneten Christa Randzio-Plath herausgegebene Reader stellt die Vollendung der europäischen Währungsunion unter vier Gesichtspunkten dar: Als politische Herausforderung, als Beitrag zu Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum und in der internationalen Dimension. Zusätzlich wird der Weg in die dritte Stufe der Währungsunion beschrieben.

Die Herausgeberin selbst legt in ihren einleitenden Worten besonderes Gewicht auf die Chancen, die mit einer Einführung des Euro verbunden sind. Durch die Währungsunion werde der Weg zur Politischen Union ein Stück kürzer. Insgesamt stärke dieser historisch einmalige Vorgang die europäische Integration; die gemeinschaftliche Währung vollende den Binnenmarkt, trage zur Eigenständigkeit Europas gegenüber den übrigen Welthandelsregionen bei und brächte wirtschaftliche Vorteile durch die Existenz einer größeren Zone währungspolitischer Stabilität. Randzio-Plath macht aber auch keinen Hehl aus der Notwendigkeit, im Zuge der Einführung des Euro die Währungsunion durch weitere integrationspolitische Fortschritte 'abzudichten'. Auf EU-Ebene müsse eine Art 'Wirtschaftsregierung' etabliert werden, um die Wirtschafts-, Fiskal- und vor allem die Beschäftigungspolitik besser als bisher aufeinander abzustimmen.

Den Euro als zweite und wahrscheinlich letzte Chance zu einer gemeinsamen Währung zu begreifen, dafür plädiert der Beitrag von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Für ihn sprechen politisch-strategische und ökonomische Gründe für die fristgerechte Vollendung der Währungsunion. Politische Gründe deshalb, weil die gesamte Geschichte der europäischen Integration auch ein Versuch gewesen sei, den ehemaligen Kriegsgegner Deutschland in einer verträglichen Art und Weise einzubinden. Diese Strategie sei nach der Wiedervereinigung von unerhörter Bedeutung wie auch die von den Deutschen bislang forcierte politische und wirtschaftliche Selbsteinbindung in das gemeinschaftliche Europa. Wirtschaftlich sei die Währungsunion zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb unausweichlich, weil die stetige Aufwertung der D-Mark nicht nur eine Vielzahl von Arbeitsplätzen gekostet habe, sondern weitere Verluste in der Zukunft mitsich bringen könnte. Den Grund für die kritisch-ängstliche Haltung gegenüber der Währungsunion sieht Schmidt in einer psychologischen Krise, wie es sie in der Integrationsgeschichte mehrfach gegeben habe. Daraus zu folgern, man müsse die Vollendung der Währungsunion verschieben, sei gefährlich; letztlich stehe dann der gesamte Binnenmarkt in Frage, schon deshalb, weil die Weltgeschichte kein Beispiel eines Binnenmarktes 'mit einem Dutzend gegeneinander schwankender Währungen' kenne.

Der ehemalige Präsident der EG-Kommission Jacques Delors bewertet nicht nur eine Verschiebung der Währungsunion sondern auch eine mögliche Aufweichung der Konvergenzkriterien als eine Katastrophe für das europäische Aufbauwerk. Er nimmt des Gedanken einer europäischen Wirtschaftsregierung auf, die ähnlich dem System in der Bundesrepublik organisiert seien könne, wo neben einer unabhängigen Zentralbank die Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik durch die Bundesregierung bestimmt würden und der Dialog zwischen den Tarifparteien einen notwendigen dritte Pfeiler bildet. Auf europäischer Ebene müsse diese Wirtschaftsregierung einen Mehrwert gegenüber nationalen Handlungsinstrumenten schaffen, zumal die Mitgliedstaaten vor allem für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik verantwortlich blieben.

Heiner Flassbeck, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, beschreibt, daß der Euro gute Chancen habe, gegenüber der D-Mark sogar die stabilere Währung zu sein. Wenn man nämlich beide Dimensionen der Geldwertstabilität berücksichtige, die Preisstabilität sowie die Wechselkursentwicklung, dann zeige sich, daß die D-Mark zumindest seit dem Beginn der 70er Jahre eine wenig stabile Währung gewesen sei. Die Gefahr für den Euro, unter beständigen Aufwertungsdruck zu geraten sei hingegen viel geringer, weil der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt europaweit deutlich geringer sei als in Deutschland.

Aus gewerkschaftlicher Perspektive sei eine Unterstützung der Währungsunion dadurch begründet, daß sie neben einer europäische Wirtschaftspolitik auch die soziale Integration in der Gemeinschaft forcieren werde. Der Generalsekretär der Europäischen Gewerkschaftsbundes, Emilio Gabaglio, betont, daß die Währungsunion ein wichtiger Schritt auf dem Weg sei, eine unkoordinierte und nationale Wirtschaftspolitik zu überwinden und daß über die Vollendung einer Wirtschafts- und Währungsunion letztlich auch das Ziel der Sozialunion erreicht werde. Eine Währungsunion könne nicht bestehen, wenn es nicht auch eine Konvergenz in den industriellen Beziehungen und den Tarifbeziehungen gebe.

Gegen eine Verschiebung der Währungsunion wendet sich Michael Geuenich. Der stellvertretende Vorsitzende des deutschen Gewerkschaftsbundes mach geltend, daß die Währungsturbulenzen Anfang der 90er Jahre ein um ca. 0,5 Prozent geringeres Wirtschaftswachstum verursacht hätten, weil sie eine Unsicherheit bei den Wirtschaftsakteuren ausgelöst hätten. Allein dadurch sei ein Verlust von Arbeitsplätzen in einer Höhe von 350.000 bis 700.000 eingetreten. Wenn die Währungsunion jetzt verschoben würde, ließe sich zwar der Konvergenzprozeß strecken, aber der notwendige Anpassungsdruck würde vermindert. Je früher somit die Währungsunion käme umso besser stünden die Chancen für eine europäische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik.

Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, beschreibt im wesentlichen sechs Vorteile der Währungsunion aus Sicht der Unternehmen. Der Wegfall der Transaktions- und Kurssicherungskosten sei mit einer jährlichen Kostenersparnis von 0,1 bis 0,2 Prozent des BIP gleichzusetzen. Handel und Investitionen würden planbarer, weil sich die Kalkulationssicherheit im grenzüberschreitenden Güter- und Dienstleistungsverkehr erhöhe. Die innereuropäische Preistransparenz durch die Währungsunion werde eine Intensivierung des Wettbewerbs verursachen, während die aufwertungsbedingten Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen Wirtschaft zumindest gegenüber den übrigen Teilnehmerstaaten beendet würden. Schließlich gehe es neben der Absicherung des Binnenmarktes auch darum, durch die Beseitigung von Wechselkursrisiken, knappe Ressourcen wieder dorthin fließen zu lassen, wo sie am effektivsten eingesetzt werden könnten. Damit verringere sich auch die Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland.

Der für Wirtschafts- und Finanzfragen zuständige EU-Kommissar Yves Thibault de Silguy bezeichnet die Währungsunion als eine notwendige Ergänzung zum Binnenmarkt. Solange unvorhersehbare Wechselkursänderungen den Handel und die Investitionsentscheidungen störten, könnten die Mitgliedstaaten die Vorteile des Binnenmarktes nicht voll ausnutzen. De Silguy wendet sich zudem gegen die häufig geäußerte Kritik, der Verlust der Option einer Anpassung der Wechselkurse werde zwangsläufig zu höherer regionaler Arbeitslosigkeit und/oder umfangreichen Transferleistungen führen. Dem stehe entgegen, daß der Maastrichter Vertrag gerade fordere, daß die wirtschaftlichen Ergebnisse der Teilnehmerstaaten sehr ähnlich seien müßten. Im Binnenmarkt würden Wirtschaftsschocks künftig eher einzelne Regionen oder Industriezweige betreffen als ganze Mitgliedstaaten.

Baron Alexandre Lamfalussy, der noch bis zum 30. Juni 1997 als Präsident dem Europäischen Währungsinstitut vorstehen wird, diskutiert die verschiedenen Strategien zur Erreichung des Ziels der Preisstabilität, das der Europäischen Zentralbank vertraglich vorgegeben sei. Betrachte man die Methoden der europäischen Zentralbanken, so existiere entweder die Geldmengensteuerung (Bundesbank) oder die Strategie der Inflationssteuerung (Großbritannien und seit jüngster Zeit auch Spanien). Obwohl beide Strategien alternative Optionen darstellten, würden sie praktisch nicht so weit auseinanderliegen, wie zu vermuten wäre. Je nach dem welche Option ein Land wähle, würde keine Zentralbank die Signale anderer Variablen ignorieren.

Welche Anforderungen mit Einführung des Euro an ein neues Europäisches Wechselkurssystem gestellt sind, thematisiert Hans-Jürgen Krupp, Präsident der Landeszentralbank für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Schon im Interesse eines funktionierenden Binnenmarktes sei es nötig, die Teilnehmer der Währungsunion mit jenen Staaten eng zu verknüpfen, die nicht in der ersten Runde dabei sein könnten. Dies sei schon im Vertrag von Maastricht impliziert gewesen, weil auch den Nachzüglern die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, die Konvergenzanforderung des Wechselkurskriteriums zu erfüllen. Für das deshalb aktuell zur Beratung stehende EWS II müsse vornehmlich gelten, daß 'die Fehler und Schwächen des alten EWS vermieden werden'. Demgegenüber könnte es sich als sinnvoll erweisen, die zulässige Schwankungsbreite von den Stabilitätsfortschritten eines Landes abhängig zu machen. Dann müßten Staaten, die kurz vor einer Aufnahme in den Euro-Club stünden, einen quasi-Festkurs halten können.

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Norbert Wieczorek beschreibt abschließend die internationale Dimension der Europäischen Währungsunion. Es müsse berücksichtigt werden, daß die D-Mark, nach dem US-Dollar und noch vor dem Yen, die zweitwichtigste Reservewährung darstelle, ohne daß die Bundesrepublik dieser Rolle wirtschaftlich gewachsen sei. Während nämlich die Bundesrepublik ökonomisch sehr stark europäisch orientiert sei, müsse sie sich in ihrer Rolle als Reservewährungsland in die Abhängigkeit anderer Wirtschaftsregionen geben. Nur durch den Euro könne es gelingen, die Rolle der Reservewährung auf breitere Schultern zu legen.

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