Christa Randzio-Plath (Herausgeber)
Der Euro mehr als ein Symbol
Baden-Baden (Nomos-Verlagsgesellschaft), 1996, 194 Seiten, 49 DM, ISBN 3-7890-4561-6.
Der von der Europaabgeordneten Christa Randzio-Plath
herausgegebene Reader stellt die Vollendung der europäischen
Währungsunion unter vier Gesichtspunkten dar: Als politische
Herausforderung, als Beitrag zu Wettbewerbsfähigkeit und
Wachstum und in der internationalen Dimension. Zusätzlich wird
der Weg in die dritte Stufe der Währungsunion beschrieben.
Die Herausgeberin selbst legt in ihren einleitenden Worten
besonderes Gewicht auf die Chancen, die mit einer Einführung des
Euro verbunden sind. Durch die Währungsunion werde der Weg zur
Politischen Union ein Stück kürzer. Insgesamt stärke
dieser historisch einmalige Vorgang die europäische Integration;
die gemeinschaftliche Währung vollende den Binnenmarkt, trage
zur Eigenständigkeit Europas gegenüber den übrigen
Welthandelsregionen bei und brächte wirtschaftliche Vorteile
durch die Existenz einer größeren Zone
währungspolitischer Stabilität. Randzio-Plath macht aber
auch keinen Hehl aus der Notwendigkeit, im Zuge der Einführung
des Euro die Währungsunion durch weitere integrationspolitische
Fortschritte 'abzudichten'. Auf EU-Ebene müsse eine Art
'Wirtschaftsregierung' etabliert werden, um die Wirtschafts-, Fiskal-
und vor allem die Beschäftigungspolitik besser als bisher
aufeinander abzustimmen.
Den Euro als zweite und wahrscheinlich letzte Chance zu einer
gemeinsamen Währung zu begreifen, dafür plädiert der
Beitrag von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Für ihn sprechen
politisch-strategische und ökonomische Gründe für die
fristgerechte Vollendung der Währungsunion. Politische
Gründe deshalb, weil die gesamte Geschichte der
europäischen Integration auch ein Versuch gewesen sei, den
ehemaligen Kriegsgegner Deutschland in einer verträglichen Art
und Weise einzubinden. Diese Strategie sei nach der Wiedervereinigung
von unerhörter Bedeutung wie auch die von den Deutschen bislang
forcierte politische und wirtschaftliche Selbsteinbindung in das
gemeinschaftliche Europa. Wirtschaftlich sei die Währungsunion
zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb unausweichlich, weil die stetige
Aufwertung der D-Mark nicht nur eine Vielzahl von Arbeitsplätzen
gekostet habe, sondern weitere Verluste in der Zukunft mitsich
bringen könnte. Den Grund für die kritisch-ängstliche
Haltung gegenüber der Währungsunion sieht Schmidt in einer
psychologischen Krise, wie es sie in der Integrationsgeschichte
mehrfach gegeben habe. Daraus zu folgern, man müsse die
Vollendung der Währungsunion verschieben, sei gefährlich;
letztlich stehe dann der gesamte Binnenmarkt in Frage, schon deshalb,
weil die Weltgeschichte kein Beispiel eines Binnenmarktes 'mit einem
Dutzend gegeneinander schwankender Währungen' kenne.
Der ehemalige Präsident der EG-Kommission Jacques Delors
bewertet nicht nur eine Verschiebung der Währungsunion sondern
auch eine mögliche Aufweichung der Konvergenzkriterien als eine
Katastrophe für das europäische Aufbauwerk. Er nimmt des
Gedanken einer europäischen Wirtschaftsregierung auf, die
ähnlich dem System in der Bundesrepublik organisiert seien
könne, wo neben einer unabhängigen Zentralbank die
Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik durch die
Bundesregierung bestimmt würden und der Dialog zwischen den
Tarifparteien einen notwendigen dritte Pfeiler bildet. Auf
europäischer Ebene müsse diese Wirtschaftsregierung einen
Mehrwert gegenüber nationalen Handlungsinstrumenten schaffen,
zumal die Mitgliedstaaten vor allem für die Wirtschafts- und
Beschäftigungspolitik verantwortlich blieben.
Heiner Flassbeck, Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung, beschreibt, daß der Euro gute Chancen
habe, gegenüber der D-Mark sogar die stabilere Währung zu
sein. Wenn man nämlich beide Dimensionen der
Geldwertstabilität berücksichtige, die Preisstabilität
sowie die Wechselkursentwicklung, dann zeige sich, daß die
D-Mark zumindest seit dem Beginn der 70er Jahre eine wenig stabile
Währung gewesen sei. Die Gefahr für den Euro, unter
beständigen Aufwertungsdruck zu geraten sei hingegen viel
geringer, weil der Anteil des Außenhandels am
Bruttoinlandsprodukt europaweit deutlich geringer sei als in
Deutschland.
Aus gewerkschaftlicher Perspektive sei eine Unterstützung der
Währungsunion dadurch begründet, daß sie neben einer
europäische Wirtschaftspolitik auch die soziale Integration in
der Gemeinschaft forcieren werde. Der Generalsekretär der
Europäischen Gewerkschaftsbundes, Emilio Gabaglio, betont,
daß die Währungsunion ein wichtiger Schritt auf dem Weg
sei, eine unkoordinierte und nationale Wirtschaftspolitik zu
überwinden und daß über die Vollendung einer
Wirtschafts- und Währungsunion letztlich auch das Ziel der
Sozialunion erreicht werde. Eine Währungsunion könne nicht
bestehen, wenn es nicht auch eine Konvergenz in den industriellen
Beziehungen und den Tarifbeziehungen gebe.
Gegen eine Verschiebung der Währungsunion wendet sich Michael
Geuenich. Der stellvertretende Vorsitzende des deutschen
Gewerkschaftsbundes mach geltend, daß die
Währungsturbulenzen Anfang der 90er Jahre ein um ca. 0,5 Prozent
geringeres Wirtschaftswachstum verursacht hätten, weil sie eine
Unsicherheit bei den Wirtschaftsakteuren ausgelöst hätten.
Allein dadurch sei ein Verlust von Arbeitsplätzen in einer
Höhe von 350.000 bis 700.000 eingetreten. Wenn die
Währungsunion jetzt verschoben würde, ließe sich zwar
der Konvergenzprozeß strecken, aber der notwendige
Anpassungsdruck würde vermindert. Je früher somit die
Währungsunion käme umso besser stünden die Chancen
für eine europäische Wirtschafts- und
Beschäftigungspolitik.
Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der deutschen
Industrie, beschreibt im wesentlichen sechs Vorteile der
Währungsunion aus Sicht der Unternehmen. Der Wegfall der
Transaktions- und Kurssicherungskosten sei mit einer jährlichen
Kostenersparnis von 0,1 bis 0,2 Prozent des BIP gleichzusetzen.
Handel und Investitionen würden planbarer, weil sich die
Kalkulationssicherheit im grenzüberschreitenden Güter- und
Dienstleistungsverkehr erhöhe. Die innereuropäische
Preistransparenz durch die Währungsunion werde eine
Intensivierung des Wettbewerbs verursachen, während die
aufwertungsbedingten Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen
Wirtschaft zumindest gegenüber den übrigen
Teilnehmerstaaten beendet würden. Schließlich gehe es
neben der Absicherung des Binnenmarktes auch darum, durch die
Beseitigung von Wechselkursrisiken, knappe Ressourcen wieder dorthin
fließen zu lassen, wo sie am effektivsten eingesetzt werden
könnten. Damit verringere sich auch die Verlagerung von
Produktionskapazitäten ins Ausland.
Der für Wirtschafts- und Finanzfragen zuständige
EU-Kommissar Yves Thibault de Silguy bezeichnet die
Währungsunion als eine notwendige Ergänzung zum
Binnenmarkt. Solange unvorhersehbare Wechselkursänderungen den
Handel und die Investitionsentscheidungen störten, könnten
die Mitgliedstaaten die Vorteile des Binnenmarktes nicht voll
ausnutzen. De Silguy wendet sich zudem gegen die häufig
geäußerte Kritik, der Verlust der Option einer Anpassung
der Wechselkurse werde zwangsläufig zu höherer regionaler
Arbeitslosigkeit und/oder umfangreichen Transferleistungen
führen. Dem stehe entgegen, daß der Maastrichter Vertrag
gerade fordere, daß die wirtschaftlichen Ergebnisse der
Teilnehmerstaaten sehr ähnlich seien müßten. Im
Binnenmarkt würden Wirtschaftsschocks künftig eher einzelne
Regionen oder Industriezweige betreffen als ganze Mitgliedstaaten.
Baron Alexandre Lamfalussy, der noch bis zum 30. Juni 1997 als
Präsident dem Europäischen Währungsinstitut vorstehen
wird, diskutiert die verschiedenen Strategien zur Erreichung des
Ziels der Preisstabilität, das der Europäischen Zentralbank
vertraglich vorgegeben sei. Betrachte man die Methoden der
europäischen Zentralbanken, so existiere entweder die
Geldmengensteuerung (Bundesbank) oder die Strategie der
Inflationssteuerung (Großbritannien und seit jüngster Zeit
auch Spanien). Obwohl beide Strategien alternative Optionen
darstellten, würden sie praktisch nicht so weit
auseinanderliegen, wie zu vermuten wäre. Je nach dem welche
Option ein Land wähle, würde keine Zentralbank die Signale
anderer Variablen ignorieren.
Welche Anforderungen mit Einführung des Euro an ein neues
Europäisches Wechselkurssystem gestellt sind, thematisiert
Hans-Jürgen Krupp, Präsident der Landeszentralbank für
Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Schon im
Interesse eines funktionierenden Binnenmarktes sei es nötig, die
Teilnehmer der Währungsunion mit jenen Staaten eng zu
verknüpfen, die nicht in der ersten Runde dabei sein
könnten. Dies sei schon im Vertrag von Maastricht impliziert
gewesen, weil auch den Nachzüglern die Möglichkeit
eingeräumt werden müsse, die Konvergenzanforderung des
Wechselkurskriteriums zu erfüllen. Für das deshalb aktuell
zur Beratung stehende EWS II müsse vornehmlich gelten, daß
'die Fehler und Schwächen des alten EWS vermieden werden'.
Demgegenüber könnte es sich als sinnvoll erweisen, die
zulässige Schwankungsbreite von den
Stabilitätsfortschritten eines Landes abhängig zu machen.
Dann müßten Staaten, die kurz vor einer Aufnahme in den
Euro-Club stünden, einen quasi-Festkurs halten können.
Der Bundestagsabgeordnete Dr. Norbert Wieczorek beschreibt
abschließend die internationale Dimension der Europäischen
Währungsunion. Es müsse berücksichtigt werden,
daß die D-Mark, nach dem US-Dollar und noch vor dem Yen, die
zweitwichtigste Reservewährung darstelle, ohne daß die
Bundesrepublik dieser Rolle wirtschaftlich gewachsen sei.
Während nämlich die Bundesrepublik ökonomisch sehr
stark europäisch orientiert sei, müsse sie sich in ihrer
Rolle als Reservewährungsland in die Abhängigkeit anderer
Wirtschaftsregionen geben. Nur durch den Euro könne es gelingen,
die Rolle der Reservewährung auf breitere Schultern zu legen.
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